В България II

Weiter geht’s in Bulgarien.

Червен – Cherven – Tscherwen

Drei Wochen im Süden, wo auch jetzt richtig Herbst ist, mit bunten Wälder und so. Wenn allerdings Anfang November die Sonne scheint – und das tut sie oft – werden mittags gerne 20°C.
Wie Ihr Euch denken könnt, machen wir auch hier keinen Cluburlaub im Wellnesshotel am Meer oder in den Bergen. Wir sind wieder einmal zu Gast auf dem Land – Mithilfe in Haus, Hof und Garten gegen Kost und Logis.
Unsere Gastgeberin ist Carol. Eine ältere Schottin, die hier vor einigen Jahren ein verlassenes Haus mit großem Garten gekauft und hergerichtet hat.

Schon die Anfahrt war überraschend. Weites ebenes Land mit großen Äckern prägt das Landschaftsbild. Doch die Karte auf dem Tablet signalisierte: Serpentinen voraus! Es waren aber gar keine Berge in Sicht. Stattdessen tat sich ein Felsental à la Sächsische Schweiz vor uns auf. An den Hängen und im Tal typische bulgarische Bergdörfer – eigentlich ja Taldörfer. Da sind wir jetzt in Червен.

Damit die nicht des kyrillischen Kundigen sich orientieren können, sind die Wegweiser der Hauptstraßen zweisprachig. Bulgarisch und englisch, die deutsche Version kann anders lauten. So z. Bsp. „unser“ Dorf.
Original: Червен,
englisch lt. Schild: Cherven,
deutsch: Tscherwen.


Häuser und verlassene Häuser

Bereits in Rumänien haben wir viele verlassene oder scheinbar verlassene Häuser und Grundstücke gesehen. In Bulgarien sieht das (gefühlt) noch extremer aus. In unserem Dorf gab es laut Wikipedia im Jahr 2012 noch 239 Einwohner. Das sind sicherlich nicht mehr geworden. Schon im Ortskern kann man viele, seit Jahren nicht mehr bewohnte Häuser ausmachen. Wenige hundert Meter außerhalb, da wo wir wohnen, fährt man praktisch durch den Wald, der aber regelmäßig von Ruinen durchsetzt ist. Selten sieht man den Versuch einer Sanierung, der aber dann doch wieder aufgegeben wurde.

Unsere Gastgeberin hat ein solch typisches „fünf vor Zerfall“ Anwesen erworben und in den vergangene dreizehn Jahren zu einem schönen Heim mit Garten ausgebaut.
Bei unserem Spaziergängen durchs Dorf fotografieren wir jedem Menge. An einem der abgelichteten Häuser hängt wenige Tage ein Schild „продава се“ – zu verkaufen. Sicher rein zufällig.

Also Freunde, wer Interesse hat: „Kaufen sie Land – es wird kein neues mehr hergestellt“ (von wenigen Ausnahmen in den Niederlanden und den VAE abgesehen)
2000 m² Grundstück mit Hütte ab 2.000 €,
4000 m² Grundstück mit Haus ab 10.000 €.


Die riesigen Felder sind bereits an die Agrarfabriken weg. Aber ein paar tausend Quadratmeter im Dorf bekommt man hinterher geworfen.


Eigentlich wollten wir zum Naturreservat auf der Donauinsel

aber dann sind wir am Atomkraftwerk vorbeigefahren.
Die Donau ist hier der Grenzfluss zwischen Rumänien und Bulgarien. Auf bulgarischer Seite liegt im Fluss die Insel Персина / Persina. Selbige wird uns im Hochglanzprospekt als einzigartiger Naturpark angepriesen. Es gibt nur ein Brücke und die ist mit einem blickdichten Blechtor versperrt. Ein Herr hinter einem Schalterfensterchen sagt etwas, das wir auch ohne Bulgarischkenntnisse als „geschlossen“ oder so verstehen. Man muss sich wohl erst im Besucherzentrum in der Stadt anmelden und höchstwahrscheinlich ist jetzt ohnehin keine Saison.

Also fahren wir wieder zurück, so nah wie möglich an der Donau entlang. Zunächst geht es um ein riesiges Industriegebiet herum, das aber wenig belebt wirkt. Muss mächtig geheim sein, denn entlang der Straße ist Anhalten und Fotografieren verboten. Wie wir später erfahren ist es das Kernkraftwerk Belene. Baubeginn war1987 aber nie zu Ende gebaut, geschweige denn in Betrieb gegangen.
Eine Katze läuft uns auch über den Weg. Das könnte ein echte Wildkatze gewesen sein. Sollte dem so sein, so ist mir eines der seltenen Fotos dieser Art in freier Wildbahn gelungen.


Weliko Tarnowo – die alte bulgarische Haupstadt

Am Wochenende wird Kultur gemacht! Nur ist das hier, in der Mitte von dreimal nichts gar nicht so einfach. Das Schwarze Meer wäre in vertretbarer Zeit zu erreichen, aber da waren wir schon drei Tage. Für die einfache Fahrt über 431 km zum berühmten Rila-Kloster (an dem ich 1986 schon einmal knapp vobeigeschrammt bin) veranschlagt Google über 5 Stunden. Das ist dann wieder zu viel Zeit im Auto und zu viel CO² sowieso. Also besuchen wir auf Empfehlung die nur 90 km entfernte Stadt Weliko Tarnowo – Велико Търново.

An der Hauptstraße gibt es jede Menge Glitzer-Boutiquen in denen gelangweilte Botox-Mädels auf Kundschaft warten. Viel interessanter ist für uns das Altstadtviertel mit der Handwerkerstraße und trendigen Bars.

Auch wenn es mit den Häusern nicht immer zum Besten steht, Denkmäler können die Bulgaren. Meist sind es kriegerisch-heroische Darstellungen aus den 1870er Jahren. Aber auch die Vertreter der schönen Künste werden mit überlebensgroßen Statuen gewürdigt.

Auch das Monster von Interhotel Weliko Tarnowo fällt in die Kategorie verlassene Gebäude. Allenfalls ein Wachmann scheint noch darin zu wohnen. Sonst alles zu. Scheint aber nach 1990 noch in Betrieb gewesen zu sein. Diverse Kreditkartenaufkleber schmücken den Haupteingang.


Auf zwei Hügeln gegenüber der Stadt wurden die Überreste einer Burg und uralter Siedlungen ausgegraben. Zentraler Punkt ist eine Kirche mit nicht ganz so alten Wandmalereien. Die bulgarischen historischen Stätten sind sehr interessant. Viele Orte wurden bereits von den alten Römern besiedelt und nach diversen Erdbeben im Mittelalter wieder auf- und ausgebaut.


Gelegentlich einer erfolglosen Geocache-Suche auf der alten Brücke entdeckt Anja einen Eisvogel beim Fischen. Er tut mir tatsächlich den Gefallen und bleibt mangels Beute auf seinem Zweig, bis ich nach fünf Minuten mit Teleobjektiv zurück bin.



Was wir so gemacht haben

Wie so oft haben wir wieder in Haus, Hof und im Garten geholfen. Halloween fiel auch in die Zeit unseres Aufenthaltes. Zur kleinen Familienfeier haben wir uns noch ein wenig gruseliger hergerichtet. Unsere Gastgeberin Carol fährt zwei Autos. Der Daewoo Matiz ist aus Schottland mit hierher gekommen. Landestypisch ist später noch ein Lada Niwa hinzugekommen. Die Langversion, mit Türen hinten. Aber irgendetwas stimmt mit der Motoreinstellung nicht. Er fährt zwar, aber nur hustend und stotternd mit noch höherem Benzinverbrauch. Leider konnte mein fachkundiger Blick unter die Motorhaube das Problem nicht lösen. Ich konnte zwar alle sichtbaren Bauteile mit deutscher und englischer Bezeichnung benennen, genutzt hat es nichts. Die eingebaute Gasanlage funktioniert nach dem Austausch des 10 Jahre alten Gastanks im Moment nicht. Vielleicht findet jemand den logischen Fehler auf der zweiten Abbildung des Ladas.

Die nähere Umgebung des Dorfes haben wir natürlich ebenfalls erkundet. Wobei näher in Bulgarien etwas weiter zu sehen ist. Bis zum nächsten geöffneten Lebensmittelladen sind es immerhin 13 Kilometer. Die Landschaft um das Flusssystem mit den Felsklippen bildet den Naturpark Rusenski Lom – Русенски Лом. Aber wir müssen gar nicht weit weg. Gleich am Ortsrand befindet sich die Festung Tscherwen mit Resten eines mittelalterlichen Dorfes auf einem Felsplateau.

Von den zahlreichen Vogelarten ist jetzt, Anfang November nicht mehr all zu viel zu sehen. Aber in den Felswänden gibt es hunderte Jahre alte Höhlenklöster. Teilweise von der orthodoxen Kirche noch „bewirtschaftet“, teilweise Museum oder auch einfach so zugänglich.


Da haben wir mitgeholfen- vorher/nachher:

Jeden Abend, wenn es vollständig dunkel ist hört man aus der Umgebung ein Geheul in das die Dorfhunde sofort einstimmen. Es sind Goldschakale.

Das Ganze wiederholt sich in der Nacht noch ein- bie zweimal.

4 Gedanken zu „В България II

  1. franko beck

    hallo Ihr zwei.Dieser Bericht macht mich sehr nachdenklich.Der scheinbare Unterschied Von Höhlenklöstern und dem jetzigen Verfall von Wohn-und Lebensstätten ist nicht so weit voneinander entfernt.Wir in Deutschland sollten uns glücklich schätzen so ein Leben führen zu könnenund nicht nur immer meckern was es gerade nicht gibt oder was wir machen sollen um zB die Pandemie einzudämmen.Danke für die schönen Bilder und Berichte,dieauf deine lustige Weise an manchen Stellen eine gewisse Tragik entschärfen.Euch eine schöne Zeit und noch eine schöne Reise.

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  2. Karolczak Frank

    Hallo Anja und Mario
    Eure Bilder und Berichte sind klasse. Es machr richtig Spaß die Berichte zu lesen. Ich weiß warum der Lada
    nicht läuft ,weil er das Zündschloß auf der linken Seite hat 😉
    Liebe Grüße Frank

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    1. Mario Beitragsautor

      Hallo Frank,
      dass mit dem Zündschloss auf der linken Seite ist wegen desLe Mans Start damit es schneller los geht wenn es losgeht.
      Und ich dachte schon an so komplizierte Sachverhalte wie Dros-sel-klap-pen-potentiometer oder Leer-lauf-fül-lungs-regler.
      Wie auch immer. Bis demnächst.Wir sind schon fast wieder zu Hause. Auch ohne Karpaten-Überquerung. Sind nämlich am Eisernen Tor zwischen Karpaten und Balkan durchgefahren.
      Viele Grüße von Anja und Mario

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